Als die Autorin Renate Behr damit begann, Regionalkrimis zu schreiben, wollte sie mehr Hintergrundwissen erwerben. Sie machte sich einen Termin im Gerichtsmedizinischen Institut in Dortmund. Eigentlich sollte es nur ein Gespräch mit dem leitenden Pathologen werden, aber es kam anders ...
Ich habe nach einer neuen Herausforderung gesucht und ich habe sie gefunden. Ich schreibe eine Serie von Regional-Krimis.
Nun kennt ja fast jeder die einschlägigen Krimiserien im 
Fernsehen, überwiegend aus den USA, die sich mit Spurensicherung und 
Gerichtsmedizin befassen. Und manches von dem, was dem interessierten 
Zuschauer da vorgesetzt wird, erschien mir doch reichlich unglaubwürdig.
Da ich bei allem, was ich schreibe, immer großen Wert darauf 
lege, eine gute Recherchearbeit zu leisten, habe ich mich an die 
Kreispolizeibehörde in Unna gewandt und mir einige wichtige 
Informationen über die Arbeit der Kriminalpolizei – insbesondere bei 
Kapitalverbrechen und Tötungsdelikten – verschafft. Daraus ergab sich 
der Kontakt zum Leiter des Gerichtsmedizinischen Instituts in Dortmund, 
Herrn Dr. Zweihoff. Nach einem regen E-Mail-Verkehr und einigen 
Telefonaten lud Herr Dr. Zweihoff mich ein, ihn in der Gerichtsmedizin 
zu besuchen.
Am Freitag, 27.2.2009, war es dann soweit. Ein wenig mulmig 
war mir schon, denn Herr Dr. Zweihoff hatte mir am Telefon angekündigt, 
dass ich bei einer Obduktion zugegen sein sollte. Er empfing mich gut 
gelaunt vor seiner Bürotür und forderte mich auf, ihm in den 
Obduktionstrakt zu folgen. Dort wartete bereits eine Mitarbeiterin der 
Kriminalpolizei Dortmund auf ihn, die seine Meinung zu einer Person mit 
Stichverletzung haben wollte, die zurzeit in einem Dortmunder 
Krankenhaus behandelt wurde. Während Herr Dr. Zweihoff noch mit der 
Kripo-Beamtin sprach, wurde im Nebenraum der zu obduzierende Leichnam 
vorbereitet.
Ich habe mich zunächst einmal ein wenig abseits der weit 
geöffneten Tür aufgehalten, relativ nah an der im Nebenraum 
aufgestellten Liege. Man kann ja nie wissen. Aber es war bei weitem 
nicht so schlimm, wie ich es mir vorgestellt hatte. 
Und relativ rasch kam dann auch der erste Spruch von Herrn Dr. Zweihoff:
„Also, wenn Sie da hinten stehen bleiben, können Sie aber nicht viel von dem sehen, was ich hier mache.“ 
Es handelte sich bei dem Toten um einen 68jährigen Mann. Die 
Obduktion war auf Wunsch der Ehefrau angeordnet worden, die einen 
ärztlichen Fehler bei der Behandlung ihres Mannes vermutete, der zum Tod
 geführt haben sollte. Hintergrund war, dass der Mann wegen eines 
Knöchelbruchs zunächst stationär behandelt worden war. Nach seiner 
Entlassung nach Hause hatte der behandelnde Chirurg die 
Thrombose-Spritzen absetzen lassen. Der Gerichtsmediziner sollte nun 
herausfinden, ob sich aufgrund dieser Tatsache nachweisen ließe, dass 
der Mann deshalb an einer Lungenembolie gestorben sei.
Und obwohl in diesem Fall ja das Hauptaugenmerk auf der Lunge 
liegen sollte, wurde eine komplette Obduktion vorgenommen. Eine 
komplette Obduktion bedeutet in einem solchen Fall, dass zunächst einmal
 der Schädel geöffnet und das Gehirn entnommen wird. Der Hohlraum im 
Schädel wird mit Papiertüchern gefüllt, die Schädeldecke wird wieder 
vernäht und schon nach kurzer Zeit kann ein Laie anhand des Kopfes schon
 nicht mehr erkennen, dass überhaupt etwas mit dem Mann passiert war.
Danach wurde ein langer Schnitt vom Schambein bis zum Hals 
ausgeführt und alle inneren Organe wurden freigelegt. Jedes einzelne 
Organ wurde entnommen, vermessen und gewogen. Außerdem wurden von jedem 
Organ Gewebeproben entnommen, die in ein Glas gelegt wurden, falls 
spätere Untersuchungen notwendig sein sollten. Was mich ein wenig 
wunderte war, dass alle Gewebeproben in demselben Glas aufbewahrt 
wurden. Auf meine Frage, ob es denn im Nachhinein dann noch problemlos 
möglich sei zu erkennen, von welchem Organ genau diese kleine Probe sei,
 meinte Herr Dr. Zweihoff nur lakonisch lächelnd: „Was glauben Sie, 
wofür ich Medizin studiert habe?“
Alle Organe, die dem Patienten zuvor entnommen worden waren, 
wurden in einer großen Plastiktüte gesammelt. Diese Tüte wurde später 
wieder in den Bauchraum des Patienten gelegt und danach wurde der 
Schnitt mit großen Stichen und Nahtmaterial, das mich persönlich eher an
 Packband erinnert hat, zusammengenäht. Während der gesamten Obduktion 
sprach Herr Dr. Zweihoff alle Untersuchungsergebnisse auf ein 
Diktiergerät und dabei legte er ein Tempo vor, dass mich die Dame, die 
das würde schreiben müssen, keineswegs beneiden ließ.
Anschließend hatte ich noch die Gelegenheit, Herrn Dr. 
Zweihoff einige für mich wichtige Fragen zu stellen. Dabei zeigte sich, 
dass wirklich vieles, was uns im Fernsehen gezeigt wird, nicht der 
Realität entspricht. So ist es zum Beispiel bei einem Verbrechensopfer 
immer so, dass die Kriminaltechnik (KTU) bei der Obduktion anwesend ist,
 um auch möglicherweise verdeckte Spuren zu sichern. In vielen Fällen, 
insbesondere wenn die Todesursache nicht eindeutig ist, ist auch ein 
Vertreter der Staatsanwaltschaft dabei.
Und längst nicht bei jedem Leichenfund ist ein 
Gerichtsmediziner auch mit am Tatort. Wenn zum Beispiel klar ersichtlich
 ist, dass Leichenfund- und Tatort ein und dasselbe sind und auch die 
Todesursache, wie z.B. bei Schuss- oder Stichverletzungen von vorn 
herein feststeht, dann sieht der Pathologe den Leichnam meistens erst im
 Gerichtsmedizinischen Institut.
Auch eine genaue Bestimmung des Todeszeitpunktes ist meistens erst bei der Obduktion möglich.
Später erzählte Herr Dr. Zweihoff mir noch, dass es die 
sonderbarsten Bewerbungen gäbe, weil es ganz offensichtlich nicht 
jedermann bekannt ist, dass ein Pathologe auf jeden Fall ein 
abgeschlossenes Medizinstudium benötigt. Selbst Hauptschüler hatten ihm 
schon geschrieben, dass sie gern eine Ausbildung zum Gerichtsmediziner 
absolvieren möchten.
Nach etwa eineinhalb Stunden habe ich das Gerichtsmedizinische 
Institut wieder verlassen. Ich war ziemlich stolz auf mich, dass ich 
nicht umgefallen war und ich bin sicher, dass mir die Informationen, die
 ich von Herrn Dr. Zweihoff erhalten habe, beim Schreiben meiner 
Kriminalromane eine wertvolle Hilfe sein werden.